Erfahrungsberichte

Erfahrungsbericht Toskana ZEIT HABEN SICH SELBST NEU ZU ENTDECKEN

Manchmal ist einfach alles zu viel. Dann nervt alles und jeder und es gibt scheinbar keinen Ausweg. In solchen Momenten können die Mädels im AWZ vielleicht sogar von ihren Lieblingserzieherinnen kaum noch Hilfe annehmen. Das Projekt In & AuT bietet jedes Jahr im Sommer einigen Mädchen aus dem AWZ eine Auszeit in der Toskana an. An einem sehr ruhigen Platz mitten in der Natur können sie mal ganz zur Ruhe kommen und sich auf sich selbst besinnen. Hier sind sie weit weg von allem, was im Alltag schon mal das Leben schwer macht.
Die jungen Frauen können ausspannen und in aller Ruhe an ihren selbst gesetzten Zielen arbeiten.
Dabei werden sie in intensiver eins-zu eins Betreuung von Lisa Breu unterstützt. Es gibt viele Gespräche, sei es auf gemeinsamen Fahrten oder abends am Feuer. Die Mädchen sind eingebunden in einen ganz neuen, abwechslungsreichen Alltag. Sie begegnen Menschen, die sie ganz neutral sehen und bei denen sie sich selbst auch neu präsentieren können. Hier ist es egal was bisher war.
In der Ruhe finden die Mädchen Zugang zu ihren heilen Anteilen. Die Natur und die Tiere tragen ihren Teil dazu bei, trösten und bringen zum Lachen. In der ersten Zeit nach ihrer Ankunft dürfen die jungen Frauen erst mal ganz in Ruhe ankommen. Ausschlafen im eigenen kleinen Holzhäuschen ist angesagt, den Platz und die Leute kennen lernen. Sich an das ganz andere Leben unter freiem Himmel gewöhnen. Die Freiluftdusche erkunden und die Scheu davor verlieren. Manch eine ist zunächst etwas ängstlich, wenn es heißt im Dunkeln mit der Taschenlampe über den Platz zu laufen. Vor allem, wenn es sein kann, dass einem auf dem Weg zum Häuschen schon mal ein Reh begegnen kann. Aber alle schaffen es, in erstaunlich kurzer Zeit, damit klar zu kommen. Das macht mutig und hilft, das eigene Leben in der Gruppe nochmal neu zu betrachten. Viele Mädchen sagen nach einer Weile, dass sie merken wie gut sie es eigentlich haben. Wie wertvoll es ist wenn man z.B. einfach immer genug Wasser, eine warme Dusche und eine Steckdose hat. Nach der Eingewöhnungszeit beginnen Lisa und die Mädels anhand von aktuellen Situationen ganz behutsam an den wichtigen Themen zu arbeiten. Da die Mädchen rund um die Uhr mit der gleichen Person leben, lernt man sich schnell kennen. Im Alltag auf Pratolungo gibt es ständig Herausforderungen und Situationen die nicht geplant sind. Mal laufen die Esel weg, mal kommt überraschend Besuch oder es ist mal wieder der Traktor kaputt. All diese Situationen werden gemeinsam gemeistert und durchlebt, ob es nun schöne Überraschungen sind oder eher nicht. Dabei lernen die Mädchen unter anderem kreativ und flexibel zu sein. Möglichst immer eine Lösung zu finden – und im besten Fall sogar mit Humor – das ist Lisas Ziel bei Herausforderungen. Weil Lisa immer nur ein Mädchen betreut, wird hier jede einzelne ganz besonders wahrgenommen. Und für jede gibt es etwas besonderes zu entdecken. Oft sind es die Tiere, oder die Situation einen Menschen mal ganz „für sich“ zu haben.
Lisa geht mit den Mädchen auf Entdeckungsreise:
Was ist es, das mir ganz besonders gut tut?
Was passiert da eigentlich mit mir, wenn ich Stress kriege?
Wie wäre es, wenn ich mich mal nur auf mich selbst konzentriere?
Kann ich eigentlich lernen, selbst zu entscheiden, worauf ich meine Aufmerksamkeit richte?
All diese Fragen werden in aktuellen Situationen gemeinsam betrachtet. Oft lernen die Mädels von ganz alleine, wie sie ein Stück wachsen können. Und wie schön es ist, die Verantwortung für sich selbst ein wenig mehr zu übernehmen.
Eine wichtige Rolle spielen (wie gesagt) auch die Tiere. Celina zum Beispiel erzählt: „Als ich eine sehr schlechte Nachricht von zu Hause bekam, und es mir so richtig schlecht ging, haben mir die Tiere echt geholfen. Zu Hause wäre mir wahrscheinlich alles egal gewesen, vielleicht hätte ich mir auch was angetan. Aber hier kam der Kater zu mir, als würde er merken, dass ich ihn brauche.
Ich kann immer mal wieder eine Katze oder einen Esel streicheln, und in manchen Momenten beruhigt einen das mehr als ein Mensch. Man hat eben das Gefühl, dass sie einem zuhören und einen verstehen.“ Das italienische Leben – ganz schön anders!
Am Anfang ist das oft etwas verwirrend. Alles ist sehr spontan, es gibt viele Einladungen und dauernd lernt man neue Leute kennen. Aber mit der Zeit kennt man die meisten und merkt, dass man einfach dazu gehört. Die Menschen denen man begegnet sind sehr offen und man fühlt sich wirklich willkommen. Celina sagt: „Es sollen ganz viele Mädels hier her kommen, dann können wir das Italienische mitnehmen und an andere weiter geben. Dann würden die Menschen in Deutschland auch offener werden und Neue nicht immer so beäugen.“ Mal ganz ohne Handy sein… das wäre für die Mädels natürlich gar nicht denkbar. Aber umso erstaunlicher ist es, dass nach dem ersten Ärger alle gut damit klar kommen, wenn sie es weniger nutzen können als zu Hause. Es gibt keine „normale“ Steckdose, und man muss schon schauen wie lange so eine Akkuladung hält. Es kommt sogar vor, dass die Handyzeiten gar nicht mehr so wichtig sind. Man lernt neue Menschen kennen und ist sowieso den ganzen Tag beschäftigt. Und was bringt das ganze für zu Hause?
Viele der jungen Frauen nehmen ein neues Selbstbewusstsein mit. Sie haben sich selbst besser kennen gelernt und können besser „bei sich“ bleiben. Celina erzählt von einem Mädel, das viel gelassener war als sie aus der Toskana zurück kam. Sie hatte vorher immer das Gefühl gehabt, dass niemand für sie da sei. Nach ihrem Aufenthalt im Projekt In&AuT konnte sie sich sogar für ihr vorheriges Verhalten entschuldigen. Und sie konnte der Gruppe zeigen, dass sie wirklich etwas ändern möchte.
Einfach mal nur man selbst sein, und staunen wie viel tolles in einem steckt Freude daran finden, gut für sich selbst zu sorgen Die Entdeckung machen, dass es gut tut, den Menschen ein Lächeln zu schenken.
Und überhaupt: sich über das eigene Leben freuen.
Das sind Impulse, die man mit nach Hause nehmen kann…

Katharina Breu, Soz. Pädagogin
und Celina
Fotos: Lisa Katharina Breu

Erfahrungsbericht eines Mädchens über ihre Therapie

Ich bin ein 14-jähriges Mädchen und wohne in einer Wohngruppe mit mehreren anderen Mädchen. Ich bin schon über ein Jahr hier und habe Therapie seit Oktober 2016. Ich habe mich dafür entschieden, weil ich gedacht habe, dass es mir hilft. Ich habe Unterstützung gebraucht und jemanden zum Reden gesucht. Anfangs war ich schüchtern, weil ich die Therapeutin nicht kannte. Und ich hatte ein bisschen Angst, dass sie Dinge, die wir besprechen weitererzählt. Es fiel mir schwer, der Therapeutin zu vertrauen und es hat ein bisschen gedauert, bis ich mich öffnen konnte. Nach und nach habe ich ausprobiert, über Dinge zu reden, die mich beschäftigen und gemerkt, dass es nicht weitererzählt wurde. Ich habe auch gemerkt, dass es mir hilft, die Dinge nicht in mich rein zu fressen, wozu ich oft neige. So habe ich mit der Zeit immer mehr Vertrauen gefasst. Ich verstehe mich gut mit der Therapeutin, da sie immer für mich da ist und mich tröstet, wenn es mir schlecht geht. Mit ihr kann ich über alles reden. Weil sie eine Frau ist und auch noch jünger ist, habe ich das Gefühl, dass sie mich gut verstehen kann. In der Therapie muss man nicht immer nur reden. Die Therapeuten sind sehr flexibel und man kann mit ihnen auch mal spazieren gehen, seine Wut am Boxsack rauslassen und kreativ sein. Gemeinsam mit meiner Therapeutin habe ich herausgefunden, dass es mir hilft, Dinge, die mich beschäftigen aufzuschreiben statt sie zu sagen. Damit ihr wisst, was man in der Therapie so machen kann, hier ein Beispiel: Bei Streit in der Gruppe hilft es, für jedes Mitglied eine kleine Figur, zum Beispiel ein Tier, auszusuchen. Dann kann man die Figuren so aufstellen, wie das Verhältnis gerade zwischen ihnen ist, wie es mal war oder wie man es sich wünscht und was man tun kann, damit sich die Wünsche erfüllen können. Das Aufstellen hilft
dabei, sich einen Überblick über die Situation zu verschaffen und eine Lösungsidee zu finden.
Ich hoffe, ihr habt nun einen Einblick in die Therapie bekommen. Ihr habt auch die Möglichkeit, hier
Therapie zu machen. Dafür wünsche ich euch, dass ihr sie als Hilfe und Lösung sehen könnt.
Traut euch, euch zu öffnen – hier bekommt ihr auch immer einen Kinderriegel :-).

Mädchen des Antonia-Werr-Zentrums
zusammen mit Lena Kahl (Diplom Psychologin)
Foto: Lena Kahl